Philosophie der Lebenskunst

Die Kunst zu Leben (gr. techne tou biu) ist bereits im alten Griechenland eine feste Größe, die sich mit dem guten Leben befasst. Es ist daher nicht übertrieben zu behaupten, dass sie im Grunde durch die antike Tradition getragen wird. Platon, Aristoteles, die Stoa (vor allem Seneca, Epiktet und Marc Aurel) haben sie maßgeblich geprägt. Als moderne Überlieferer dieser frühen Konzeptionen können Michel Foucault (Hermeneutik des Subjekts) und Pierre Hadot (Philosophie als Lebensform) genannt werden.

 

Natürlich kommt beim Leser die Frage auf, warum ich mich für diese philosophische Richtung interessiere. Es gibt für mich mindestens zwei Gründe:

 

                                                                                                                                                                           

 

1.)    Die Faszinationen an 2500-2000 Jahre alten Texten, die praktisch hochaktuell sind, ja man kann sagen, es gibt gar nichts Neues dazu.

 

2.)    Auch ich frage mich wie viele andere Menschen, für die das Leben sich nicht einfach von selbst versteht, nach Wegen, die das jeweils gelebte Leben gehen kann, welche Möglichkeiten sich ihm bieten. Gerade auch in Zeiten, wo Traditionen, Konventionen und Normen nicht mehr überzeugend zu sein scheinen. Ich bin also mit meinem Philosophieren mitten drin.

 

 

 

Natürlich ist klar, dass nicht jeder das gute Leben leben kann. Es gibt viele Lebensformen und Variationsmöglichkeiten, die ein jeder für sich finden muss. Die Lebenskunstphilosophie kann in diesen Prozess des einzelnen Individuums auf der Suche nach seinem Modus der Existenz unterstützend eingreifen. Dabei ist es selbstverständlich, eine Wahl zu haben sich für dies oder das entscheiden zu können. Dies kann konkret bedeuten, das Individuum dazu anzuhalten, sich von seinem allzu engen Zeithorizont zu lösen und über die Begrenztheit des Raumes hinauszublicken, denn eine verantwortungsvolle Lebenskunst wird ihrem Namen nicht gerecht, wenn sie sich auf das Glück im eigenen kleinen Bereich konzentriert.[1] Mit dieser Intention erkennt man sofort, dass es sich beim „guten Leben“ nicht darum handeln kann, möglichst lustvoll und eigennützig durch sein eigenes Leben zu gehen ohne auch den Mitmenschen zu berücksichtigen. Manchmal bekommt auch die Lebenskunst etwas Kitschiges und Triviales, gerade auch weil die nicht argumentiert, sondern erzählt, rät, empfiehlt, aber auch predigt und zeigt einen Hang zum Deklamatorischen. Es darf also nicht zu dem Missverständnis kommen, dass die Lebenskunst ein homogenes konzeptionelles Gebilde wäre.[2] Aber wo in der Philosophie gibt es schon etwas „Unumstößliches“? Es ist immerzu reflektieren, zu prüfen und zu kritisieren, das ist philosophisches Tagesgeschäft und so halte ich es auch mit der Lebenskunstphilosophie.

 

Bei aller Wertschätzung der antiken Denker gibt es natürlich auch im Mittelalter und der Neuzeit lebenskunstphilosophische Autoren. Ein paar wenige seien an dieser Stelle erwähnt: Thomaes von Aquin, Meister Eckhart, Französische Moralisten, Kant, dann sehr wichtig: Kierkegaard, Schopenhauer und Nietzsche, später dann William James, Lebensphilosophie, John Dewey, Philosophische Anthropologie, Heidegger u. v. a. Bemerkenswert ist an dieser Stelle noch die Tatsache, dass die Lebenskunst im frühen Mittelalter von der Philosophie ins Christentum umsiedelt wie sie in die christliche Lehre eingepasst wird. Danach wird es sehr, sehr ruhig um sie, zumindest in der Philosophie. Erst vor kurzer Zeit erlebt sie in der Philosophie wieder eine Renaissance. Insgesamt gesehen ist die Lebenskunstphilosophie wie sie von Wilhelm Schmid wieder auf den Plan gerufen worden ist, eine breites Betätigungsfeld, spannend und abenteuerlich, vielleicht auch deshalb eines meine Interessensgebiete, also eigentlich ein dritter Grund, sich damit zu beschäftigen.

 



[1] Vgl. Schmid, Wilhelm: Philosophie der Lebenskunst. Frankfurt am Main 1998. S. 13.

[2] Vgl. Kersting, Wolfgang u. Langbehn, Claus: Kritik der Lebenskunst. Frankfurt am Main 2007. S. 13.

 

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